Johannes Grützke „Benno Ohnesorg greift zum Gewehr“ und
„Die Darstellung des Stückes: Die Gewalt der Empfindung“
"Werdet wie
ich: Johannes Grützke!" 9. März – 3. Juni 2018 im Museum Penzberg -
Sammlung Campendonk
Hans Schulze
17.8.1951-23.8.2017
APRIL, APRIL: Kein April-Scherz!
Am 1. April, wäre Gerhard Kerfin 82 Jahre alt geworden. Er erwartet uns am Samstag um 14 Uhr auf dem Friedhof I der Jerusalems- und Neuen Kirche, unweit der Grabstelle von Oskar Huth. Ein kleiner Spaziergang auf den Friedhöfen, begleitet von Lesungen und Labungen, führt uns vorbei an Kurt und Willi Mühlenhaupt zu Caesar und Karl Heinz Grage, zuletzt zu Artur Märchen. Mit Blick von Arturs Grab aus auf den ehemaligen Leierkasten und einen Abstecher zum planierten ehemaligen Trödel von Kurt Mühlenhaupt endet die Tour auf dem Hof der Blücherstraße 13.
Treff.14 Uhr Eingang Zossenerstraße. Um Anmeldung wird höflichst gebeten.
P.S. Hugo hat am 1. April Namenstag und reicht den Hut herum: mit 5 Euro sind sie dabei!
KELLER ATELIER KÜNSTLERPECH, Hugo Hoffmann, 0172 300 11 73
Auf der
Einladungskarte zu dieser Ausstellung steht „Monika Brachmann.
Holzschnitte“. Wenn
Sie sich umschauen, werden Sie neben einer Vielzahl von Holzschnitten
auch
einige Ölgemälde sehen, darüber hinaus zwei Bilder in der
Aquatinta-Radiertechnik. Diese Ergänzung und Erweiterung dient nicht
etwa nur
dekorativen Zwecken, sie hat ihre guten Gründe. Zum einen offenbart
sie, wie
thematische Motive, aber auch formale Prinzipien nicht nur im
Holzschnittverfahren, sondern auch in anderen Genres eingesetzt werden.
Wer
verfolgen will, wie einzelne Motive und Gestaltungsformen durch die
Gattungen
wandern und dort ihre jeweils unterschiedlichen Ausprägungen finden,
wird bei
Monika Brachmann ein weites und schönes Forschungsfeld finden. Und
diejenigen,
denen es darum geht, das Verbindende, das Einheitliche in einem
künstlerischen
Oeuvre aufzuspüren, werden sich sicher auch bestätigt sehen.
Diese Beispiele
aus anderen Gattungen geben aber auch eine Ahnung davon, wie vielfältig
das
Schaffen Monika Brachmanns ist. Und das wiederum gibt mir die
Gelegenheit, auf
das Buch hinzuweisen, das im vergangenen Jahr im Nicolai Verlag
erschienen ist
und diese Vielfalt auf beeindruckende Weise dokumentiert. Das Buch
präsentiert
insgesamt 140 Abbildungen (98 Gemälde, 42 Holzschnitte), 140 Werke aus
verschiedenen Bildgattungen, mit denen sich die Künstlerin im Laufe
ihrer
Entwicklung auseinandergesetzt hat und auch noch auseinandersetzt:
allen voran
die Landschaftsmalerei, aber auch Selbstporträts, Mädchen- und
Frauenakte,
Stillleben. Besondere Beachtung finden in dem Buch zudem die
Jahresgaben,
regelmäßig zum neuen Jahr von Monika Brachmann versendete
Farbholzschnitte auf
Bütten. Dazu gleich noch mehr.
Das von Karoline
Müller herausgegebene Buch (144 S.) enthält zudem erläuternde Texte von
Friedrich Rothe, Rosa von der Schulenburg, Urban Kressin; es bietet auf
diese
Weise einen weiten und aufschlussreichen Überblick über das Werk der
Künstlerin
von den 1970er Jahren bis heute.
Diejenigen, die
sich das Glück und das Vergnügen gönnen wollen, weitere Gemälde Monika
Brachmanns zu sehen, seien schon jetzt hingewiesen auf die in naher
Zukunft
folgende Ausstellung „Monika Brachmann – Die Uckermark“, Eröffnung am
Samstag,
30. April 2016, 19 Uhr, in der Epiphanienkirche in Charlottenburg.
Dieses technische
Verfahren zur Reproduktion von Bildern hat eine sehr lange Tradition
und ist
mit großen Namen verknüpft. Sie alle kennen Holzschnitte von Dürer und
Holbein,
auch von Paul Gauguin und Edvard Munch und Frans Masereel sowie von den
deutschen Expressionisten und Mitgliedern der „Brücke“ wie Karl
Schmidt-Rottluff, Max Pechstein, Erich Heckel und Emil Nolde.
Eine
entscheidende Rolle bei der Entfaltung der künstlerischen Möglichkeiten
insbesondere des Farbholzschnitts spielten die japanischen Meister, die
in der
Mitte des 18. Jahrhunderts wirkten (u. a. Utamaro, Hiroshige, Hokusai)
und auch
auf die europäische Kunsttradition einen überragenden Einfluss hatten –
man
denke an den „Japonismus“ des 19. Jahrhunderts. Noch bei Monika
Brachmann sind
meines Erachtens, etwa in der Wahl bestimmter Motive, Spuren dieses
Einflusses
zu finden.
Das kann sogar
noch gesteigert werden: Auf einigen Blättern hier steht „Holzschnitt
aus der
verlorenen Form“. Diese schöne, geradezu poetische Formulierung
bezeichnet eine
Methode des Farbholzschnitts, bei der nicht verschiedene
Druckstöcke für die einzelnen Farben benutzt werden, sondern derselbe, der nach jedem Druckvorgang
weiter bearbeitet und gleichsam abgetragen wird. Damit wird nicht nur
zwangsläufig die Zahl der Druckexemplare begrenzt, dieses Verfahren hat
auch
eine strukturell bedeutsame Seite: Das Original wird gewissermaßen im
Prozess
der Entstehung des Werkes wieder vernichtet. Die „Creatio ex nihilo“,
die
„Schöpfung aus dem Nichts heraus“ als grundlegende Herausforderung des
Künstlers, führt, so könnte man diesen Gedanken weitertreiben, auch
wieder ins
Nichts zurück – und das, was sichtbar und „handgreiflich“ bleibt, ist
lediglich
ein Zeugnis, ein Abfallprodukt, ein Abbild des zugrunde liegenden,
selbst nicht
sichtbaren und greifbaren (und auch nicht begreifbaren) transitorischen
Vorgangs des Künstlerischen im steten Spannungsfeld von Sein und
Nichts.
Was aber sehen
wir, was ist konkret wahrnehmbar auf den hier ausgestellten Werken? Wie
bei
Holzschnitten üblich und aufgrund der technischen
Produktionsbedingungen nicht
zu vermeiden – Holz ist eben keine leicht zu verteilende Farbe und ein
Grabstichel oder Geißfuß kein feiner Pinsel –, sehen wir: starke
Kontraste,
wenige Bildelemente, die Tendenz zur Reduktion und Vereinfachung, die
Dominanz
der Fläche, oft auch ausgeprägte „grafische“ Strukturen. Eingesetzt
werden nur
ein, höchstens mal zwei Farben, ansonsten wird virtuos die Farbe des
Büttenpapiers einbezogen, auf das gedruckt wird. Entscheidend ist immer
die
Verteilung der Flächen und Farben, die Akzentuierung einzelner Linien,
also die
Komposition. Das, was Monika Brachmann dabei leistet, indem sie
Klarheit mit
intensiver, dabei unspektakulärer Spannung verbindet, ist nach meinem
Eindruck
für den Bereich des Holzschnitts kaum zu übertreffen. Sie hebt sich
damit auch
deutlich vom expressionistischen, „ausdrucksstarken“ (wie es immer
heißt)
Holzschnitt ab. Im Gegensatz zu diesen oft groben, geradezu schreienden
Werken
herrscht in ihren Bildern eine Ruhe und Gelassenheit, eine Stimmung,
die eben
auch eine mögliche Konsequenz aus der Konzentration auf das Wesentliche
ist. Die
Reduktion als sozusagen interne Betriebsanweisung des Holzschnitts
kommt
übrigens einem Prinzip des künstlerischen Konzepts Monika Brachmanns
entgegen:
der Herausstellung des Kunstcharakters ihrer Werke, die eben nicht
Kopien der
realen Wirklichkeit sein wollen, eher wohl, wie vorhin gesagt,
„Abbilder“ einer
umgreifenden, essenziellen Auseinandersetzung mit der Welt.
Und damit komme
ich zum letzten Punkt meiner Überlegungen – und zu den kleinsten Bilder
dieser
Ausstellung: den Jahresgaben. Monika Brachmann hat einen Brauch, ein
Ritual
bewahrt, das früher bei Künstlern weiter verbreitet war, heute aber
kaum noch
gepflegt wird – jeweils zum Jahreswechsel versendet sie an Freunde und
Bekannte
Briefe mit einem kleinen Holzschnitt, als Geste des Abschieds vom alten
und als
Gruß zum neuen Jahr. Die Jahresgaben stellen ähnliche Motive wie die
großen
Holzschnitte dar, Bilder aus der Natur, Landschaften, Tiere, auch
Stillleben,
hin und wieder gar Menschen. Auch in ihnen waltet – und zwar aufgrund
des
kleinen Formats noch stärker – das Prinzip der Reduktion, auf einem
Bild sind
nur die Silhouetten zweier fliegender Kraniche zu sehen, auf einem
anderen
lediglich ein Ast, der quer durch das Bild verläuft, mit einem Vogel
darauf.
Aber es kommt, jenseits des Formalen und Inhaltlichen, noch etwas
hinzu, was
eine zusätzliche Spannung eröffnet: Jahresgaben folgen einem seriellen
Prinzip,
das unter anderem auch strikte Pünktlichkeit verlangt – innerhalb
weniger Tage
nach Neujahr müssen sie beim Empfänger eintreffen, sonst verfehlen sie
ihren
Zweck. Die Kunstproduktion unterwirft sich einem zeitlichen Rhythmus,
der ihr
von außen vorgegeben wird, von einer kosmischen Gesetzmäßigkeit in
diesem Fall,
nämlich von der Dauer, die der Planet Erde braucht, um einmal die Sonne
zu
umrunden.
Die Künstlerin
setzt sich dem Prinzip der Wiederholung aus, sie thematisiert in dieser
Serie
einen zeitlichen Verlauf. Das spiegelt sich motivisch in dem, was sie
zeigt:
verschneite Landschaften und eingeschneite Häuser, kahle Äste, einen
Schlittenfahrer – der Winter als saisonale Erscheinung stellt das
Reservoir an
Bildmotiven bereit. Und es ist immer dasselbe Reservoir, aus dem sie
schöpft;
sie wandelt das ab, was sich wiederholt. Und fügt sich damit in den
großen
Kreislauf der Natur ein, deren Zeit eine zirkuläre ist, in der das Ende
zum
Anfang zurückkehrt, jedes Jahr aufs Neue.
Indem sie dieses
Prinzip in ihren Jahresgaben mit thematisiert, vereinigt sie die zwei
uns
bekannten Choreografien der Zeit: die sich wiederholende, kreisförmige
Zeit der
kosmischen Abläufe, in die wir gestellt sind, und die voranschreitende,
zielgerichtete, Jahr für Jahr gezählte, die geschichtliche Zeit. So
gelingt es
Monika Brachmann, im reduzierten, kleinen Format, auf eine unauffällige
Weise,
die bedeutenden, existenziellen Fragen zu öffnen. Große Kunst in
kleinen
Werken.
Vor
etwas mehr als zwei Wochen hatten wir bereits die Gelegenheit, eine
Ausstellung
von Monika Brachmann zu eröffnen, die vor allem ihren Holzschnitten
gewidmet
ist. Und die, in einer schönen Koinzidenz, auch noch einige Wochen
parallel zu
der Ausstellung hier in der Epiphanienkirche zu sehen sein wird. Bei
dieser
Vernissage schwärmte einer der anwesenden Besucher, offenbar schon im
freudigen
Vorausblick auf die Ausstellung, die wir heute eröffnen, davon, wie
großartig
es der Künstlerin gelungen sei, „die Landschaft der Uckermark
einzufangen“. Es
ist ein Lob, das von vielen anderen, die die Bilder Monika Brachmanns
und die
Uckermark kennen, geteilt wird.
In
dieser Betrachtungsweise hat es die Malerin vermocht, eine Landschaft,
mit der
man vertraut ist, die man vielleicht sogar besonders schätzt, so vor
Augen zu
stellen, dass man sie wiedererkennt – allerdings nicht diese oder jene
Hügelkette, diese oder jene Allee, dieses oder jenes Rapsfeld oder auch
eine
bestimmte Scheune. Man erkennt den unverwechselbaren Charakter der
uckermärkischen Landschaft, vielleicht sogar erstmals in dieser
Klarheit, in
dieser Prägnanz.
Eine
solche Aussage, „die Landschaft der Uckermark sei auf überzeugende
Weise in
diesen Bildern eingefangen“, beruht auf bestimmten, unausgesprochenen
Voraussetzungen; ihr liegt ein Modell zugrunde, das etwa so zu
beschreiben
wäre: Die Künstlerin wählt, aus welchen Gründen auch immer, einen
Gegenstand,
„ihren“ Gegenstand aus, in diesem Fall eine Landschaftsszenerie, und
versucht
ihn nach besten Kräften und mit ihren speziellen Mitteln so gut wie
möglich
abzubilden. Kunst bezieht sich auf das in der Wirklichkeit Vorgefundene
und
zielt darauf ab, es noch einmal nachzuschaffen.
Aber:
Ist dieses Modell tatsächlich gültig, für die Malerei Monika Brachmanns
und für
Kunst überhaupt? Lösen die Bilder, die Sie hier sehen, den Anspruch,
den dieses
Modell erhebt, ein? Oder stellen sie vielmehr diesen Anspruch infrage?
Und wenn
ja, auf welche Weise?
Wie
passt diese Devise mit der eingangs zitierten Bemerkung des
Ausstellungsbesuchers zusammen, die „Landschaft der Uckermark sei in
diesen
Bildern eingefangen“? Wiedersprechen sich diese Aussagen, schließen sie
sich
aus?
Aber
fragen wir zunächst: Was heißt eigentlich: „Kunst kommt von Kunst“?
Nun,
zunächst heißt es, dass jeder Maler, jeder Bildhauer, auch jeder
Installations-
und Happeningkünstler nicht bei Null anfängt, nicht in einem
geschichtslosen
Raum agiert, sondern in einer Tradition steht. Einer Tradition, auf die
er sich
mehr oder weniger bewusst, mehr oder weniger dezidiert bezieht. Und
selbstverständlich auch dann, wenn er sich explizit gegen sie wendet,
wenn er
die Tradition in seinem Werk zu überwinden sucht.
Monika
Brachmann hat selbst formuliert, in welcher Tradition sie sich sieht:
„[…] die
Malerei von Beckmann, Paula Modersohn-Becker, Hofer, van Gogh und
Franzosen wie
Manet, Gauguin, Chardin (Stillleben), Cézanne, Renoir […]“ .
Herangeführt an diese Tradition hat sie übrigens niemand anderes als
Hermann
Bachmann, ihr Lehrer an der Westberliner Hochschule für Bildende
Künste. Von
ihm stammt, wie Sie wissen, das 1960 gemalte Altarbild hier in der
Epiphanienkirche, dessen rechter Flügel („Die Auferstehung“) übrigens
übermalt
wurde, weil die Gemeinde damals nicht damit einverstanden war. Wie
Hermann
Bachmann, der gerade aus der DDR übersiedelte Dissident, darauf
reagierte, ist
nicht überliefert.
Selbstverständlich
hat sich Monika Brachmann auch in ihren Landschaftsbildern zunächst in
eine
Maltradition gestellt, wie etwa ihre Landschaftsbilder aus der Toskana
aus den
1980er Jahre zeigen oder auch die beiden kleinen hier präsentierten
Gemälde aus
dem Tessin, die zugleich nach ihrer eigenen Aussage Erinnerungen sind
an die
für sie wegweisende Begegnung mit dem Werk der russischen Malerin
Marianne
Werefkin, die bis zu ihrem Tod
Eine
deutliche Abkehr von ihren frühen, noch der klassischen Moderne
verpflichteten
Versuchen in der Landschaftsmalerei, überhaupt von ihrem bisher
geschaffenen
Werk hat Monika Brachmann vollzogen, als sie in den 1990er Jahren
Westberlin
hinter sich ließ und in die Uckermark zog. Dort entstanden die Werke,
die Sie hier
in dieser Ausstellung sehen: beeindruckende Zeugnisse eines radikalen
Neubeginns, der dem Typus des Landschaftsbildes noch einmal einen ganz
eigenen
Ausdruck verleiht. Landschaftsbilder waren in der Geschichte der Kunst,
daran
sei in diesem Zusammenhang erinnert, in den seltensten Fällen getreue
Abbildungen der natürlichen Gegebenheiten; vielmehr waren es Werke, die
auf die
Umsetzung bestimmter ästhetischer Konzepte zielten und die jeweils
herrschenden
Auffassungen von Natur spiegelten. Man denke etwa an die idealen
klassischen
Landschaftsszenerien eines Nicolas Poussin oder Claude Lorrain im 17.
Jahrhundert oder an die romantische Malerei in Deutschland um
Sie alle waren nur scheinbar „gegenständlich“ oder „mimetisch“. Und ganz offensichtlich sind es auch diese Bilder von Monika Brachmann nicht. Ihre Gestaltungsprinzipien sind unschwer auszumachen: Sie reduziert die Motivfülle, vereinfacht die Formen – geradezu „comicartig“, wie Friedrich Rothe schreibt –, sie schafft klare Flächenverteilungen, rhythmisiert zum Teil dramatisch den Bildaufbau, der Pinselstrich wird oft deutlich sichtbar, und vor allem lässt sie die Farben explodieren. Malerische Ekstasen, so könnte man das beschreiben, was sich hier auf diesen Leinwänden ereignet; wohlkalkulierte Ekstasen, wäre freilich hinzuzufügen.
Im
Zustand der Ekstase verändert sich die Wahrnehmung der Welt. Und
entsprechend
verwandelt eine malerische Ekstase – oder eine ekstatische Malerei –
auch die
Welt, die dargestellt wird. Man mag das als Verfremdung erleben und
beschreiben, manchmal als Verzerrung, in anderer Hinsicht auch als
Überhöhung,
als Idealisierung. Es ist jedenfalls eine ursprüngliche Verfahrensweise
der
Kunst. In Bezug auf die Bilder von Monika Brachmann würde ich von
Verwandlung
sprechen. Von einer Verwandlung, die keineswegs darauf angelegt ist,
einen wie
immer gearteten anderen Zustand zu erreichen und zu fixieren. Die
Bilder wollen
nicht die eine Realität durch eine andere ersetzen, sie wollen vielmehr
diejenige Welt, von der sie ausgehen, öffnen, in Bewegung versetzen,
indem sie
sie, in diesem Fall mit dem ungezügelten Einsatz der kräftigen
Primärfarben, zum
Leuchten, zum Strahlen bringen.
Mit
den von mir gewählten Begriffen rühren wir, Sie haben das bereits
bemerkt, an
die Sphäre des Religiösen. Die Überhöhung, die Verwandlung oder auch
Wandlung,
das sind Bezeichnungen, die den Kern der vielschichtigen religiösen
Weltvorstellung betreffen. Auch der Begriff der Ekstase, vom
Griechischen ins
Kirchenlatein übernommen, spielt vor allem in der christlichen Mystik
eine
prominente Rolle. „Ecstasis“ bedeutet wörtlich „das
Aussichheraustreten“,
gemeint ist eine (religiöse) Entrückung, Verzückung, die die
menschliche Seele
näher an das Göttliche heranführt.
Die,
wenn ich sie so bezeichnen darf, „ekstatischen“ Bilder Monika
Brachmanns, die
einer „naturalistischen“ Sicht auf die Wirklichkeit „entrückt“ sind,
haben also
durchaus ihren Platz in einer christlichen Kirche. Sie sind gleichwohl
keine
religiösen, keine christlichen Bilder. Denn die Dynamik, die in ihnen
steckt,
bereitet eben nicht den Weg zu einer Transzendenz, die definiert und
mit einem
festgelegten überirdischen Personaltableau bevölkert wäre. Gewiss,
diese Bilder
feiern hingebungsvoll die Landschaft und damit „die Schöpfung“, aber
sie
treffen keine Aussagen über den Schöpfer oder über den Endzweck der
Schöpfung.
Monika
Brachmann feiert die Schöpfung, indem sie sie – gewissermaßen als eine
„alter dea“
– wiederholt, in immer neuen Anläufen und Versuchen. Ihre Bilder der
Uckermark
sind nicht als Einzelbilder gemeint, sie sind vielmehr Variationen des
einen
durchgängigen Themas. Und als Variationen haben sie selbstverständlich
nie das
Ziel gehabt, ein getreues Abbild dieser oder jener verortbaren Szenerie
in der
Uckermark zu liefern. Als Variationen des einen Sujets mit den immer
gleichen
Elementen – Hügel, Seen, Bäume, Mohn- und Rapsfelder, Häuser und
Traktorspuren,
Himmel und Wolkenformationen, Spiegelungen und Schatten – enthüllen sie
eine
zweite Bedeutung der vorhin erwähnten Devise Monika Brachmanns, die da
lautet
„Kunst kommt von Kunst“: Diese Devise bezieht sich eben nicht nur auf
die
Vorbilder aus der Kunstgeschichte, sondern auch auf die eigene Kunst –
jedes
fertig gewordene Bild ist der Ausgangpunkt, gleichsam die Absprungbasis
für das
folgende. Und so wichtig das einzelne Bild in seiner speziellen
Komposition und
Farbgebung auch ist, entscheidend ist der Gesamtprozess: Monika
Brachmanns
Bilder aus der Uckermark sind leuchtende Zeugnisse eines fortwährenden
künstlerischen In-der-Welt-Seins.
Ja,
es gibt diesen Widerspruch. Aber er ist nicht dadurch aufzulösen, dass
nur
einer dieser Äußerungen Geltung zugesprochen würde. Es ist ein
Widerspruch, der
bestehen bleibt, der aber produktiv ist, weil er in der Kunst selbst
ausgetragen wird. Sie, die Kunst, bezieht sich selbstverständlich auf
die
Realität, „fängt etwas von ihr ein“, stellt sie aber nicht abbildhaft
dar – und
verweigert sich damit auch grundsätzlich einer Festlegung auf eine als
verbindlich angesehene Existenzform von Realität. Was die Kunst
vielmehr
darstellt, ist die Verwandlung von Eindrücken aus einer Realität in
künstlerische Akte. Mit jedem ihrer Bilder stößt Monika Brachmann eine
Tür auf,
die in den Raum der Kunst führt. Es ist ein Raum der unablässigen
Verwandlungen, in dem eigene Gesetze herrschen.
Die
visuellen Reize, die Impulse aber kommen auch von außen, und sie können
überwältigend sein und im Leben eines Künstlers Epoche machen. Wie das
Licht
und die Farben der uckermärkischen Landschaft bei Monika Brachmann.
Ein
anderer Künstler hat über einen solchen grandiosen, revolutionären, ja
identitätsstiftenden Impuls Folgendes geschrieben:
„Die
Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für
immer,
ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe
sind eins.
Ich bin Maler.“ Der Name dieses Malers ist Paul Klee, er schrieb diese
Zeilen
nach seiner zweiwöchigen Reise im April 1914 durch Tunesien, bei der er
das
Licht des Südens entdeckte.
Monika Brachmann hat das Licht der Uckermark entdeckt. Wenn man ihre Bilder betrachtet, weiß man, dass diese Entdeckung für sie eine Offenbarung war.
Diethelm Kaiser
"Berlin ist meine Mitte, Die Malerin Rita Preuss" 24,-€ zuzüglich Versandkosten
Nicolai Verlag, ISBN 978-3-89479-883-3"29.
Oktober 2016 bis 17.
Januar 2017: Rita Preuss. Meisterschülerin von Max Pechstein" >
Willy-Brandt-Haus, Hella Dunger-Löper und Rita Preuss am 31.10.2014 Foto: Momo, Lingen
*
Johannes Grützke, „Batseba III”, 9.3.2003, Öl auf Leinen, 100 x 100 cm Kaltnadel, WDLGP504, Auflage 15, 200,-€
Johannes Grützke - Das Plastische >
Katalog 200 Seiten und 148
Abbildungen, ISBN
3-926460-87-3
Victoria von Preußen, 2001, Berlin, Bronze, Medaille, Aufl. 25, 7,5 cm, Reliefhöhe 2 cm
* http://joachimbohnert.de/Home.html
Hans
Grundig, Modern German Art in the Weimar Republic,
1919-1933. Vom
1.5.-30.8.2015, Fondazione Musei Civici di Venezia, San Marco, 52, 30124
Venezia. Arte in Germania al tempo della Repubblica di Weimar
1919-1933 >
Vom 4.10.2015-18.1.2016,
V